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Die Schattenzone war der Bereich zwischen Hexenwelt im Ophis und Schwertwelt im Machairas im Altertum, in den der Lichtbote die Dämonen der Finsternis gebannt hatte. Die Halle der Dämonen war auf dem Dach der Schattenzone, von dort aus wurde das Chaos gesteuert, soweit sich Chaos überhaupt steuern lässt.

SCHATTENZONE im Buch der Welt I

In den Mythen und Legenden aller Völker spielt dieser Gürtel um die Welt eine bedeutende Rolle, ist er doch neben Sonne, Mond und Sternen das eindrucksvollste überirdische Phänomen, und je näher die Menschen der Sch. wohnen, desto furchteinflößender ist sie: ein Hort des Bösen, das Reich der Dunkelmächte, ein Gefängnis für die Seelen der Toten, Heerlager für die dämonischen Kriegerscharen, Zwinger für die ungeheuerlichen Monstren – das Ende der Welt. Jeden Abend verschlingt sie die Sonne und läßt sie am nächsten Morgen für eine kurze, allzu kurze Zeitspanne ihre Wanderung über das Himmelsdach wiederaufnehmen. Aber was passiert, wenn die Sch. eines Tages die Sonne nicht wieder freigibt? Dann wird ewige Finsternis über die Welt kommen, und die Dunkelmächte werden die Herrschaft antreten, so, wie es schon einmal war und wie es in der Legende vom Sohn des Kometen steht: Bevor der Lichtbote kam, war die Welt in einen Mantel der Finsternis gehüllt, doch verbannte er die Dunkelmächte in einen schmalen Streif aus Finsternis und bannte sie dort, bevor er wieder weiterziehen mußte, um an anderen Orten das Übel auszutilgen. Für die Gorganer wohnte das Böse nicht in der Tiefe, sondern in dem finsteren Wall der Sch.

Als Mythor einst mit der Goldenen Galeere in diesen Mahlstrom einfuhr und im Antlitz namenloser Schrecken zum Spielball der Elemente wurde, schließlich Schiffbruch erlitt und durch das Gorgan-Tor nach Vanga gespült wurde, da lernte er nur einen Bruchteil dessen kennen, was die Schattenzone birgt. Inzwischen lernt er nach seinem zweiten Eintritt in den Brodem der Finsternis, der Gorgan und Vanga, das Männliche und das Weibliche, voneinander trennt und doch wiederum auch ein Bindeglied zwischen beiden ist, die Schattenzone aus einer anderen Perspektive kennen. Eine Welt tut sich vor ihm auf, wie sie phantastischer kaum vorstellbar ist, eine Welt ohne festen Boden, wo alles in Bewegung ist, die sich in permanenter Veränderung befindet, wo sich das Oberste nach unten kehrt und menschliche Sinne zur Orientierung nicht ausreichen. Mythor muß erst erkennen, daß er schon einmal einen kurzen Blick in diese Welt getan hat: damals, während der Schlacht im Hochmoor von Dhuannin, zur Wintersonnenwende, als er in einer Vision Fronja an Bord eines Luftschiffes zwischen Land- und Eismassen treiben sah. Und dieses Bild bietet sich ihm vor Ort wieder. Es ist das perfekte Chaos, aber nicht nur das Reich der Dämonen. Die Schattenzone lebt, und so mörderisch sie ist, birgt sie einen Lebensreichtum, wie Gorgan und Vanga ihn zusammen nicht haben.

Die Sch. befindet sich in ständiger Bewegung und driftet von Lychnos nach Oklis, einem gigantischen Strom rund um die Welt vergleichbar, mit unzähligen Wirbeln und Nebenarmen, die sich in alle Richtungen und überallhin verästeln, träge dahinfließend oder mit reißender Strömung auch in die entgegengesetzte Richtung, die in Sackgassen enden oder auch in fremde, unglaubliche Bereiche führen.

Und in diesen Strom eingebettet (der von Eingeweihten auch, vornehmlich den Pfadern, mit einem Baum mitsamt seinem Wurzelstock und allen seinen Asten und Zweigen verglichen wird) sind unzählige verschiedenartige Inseln. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um in allen Höhen treibende Landmassen von jeglicher Form und beliebiger Zusammensetzung. Es gibt aber auch nicht wenige, die wie Korallengebilde gewachsen sind, durch kristalline Ablagerungen entstanden oder sich aus Staubwolken formierend – solche Eilande können aus jedem beliebigen Stoff bestehen, nicht selten handelt es sich auch um Luft- oder Gasblasen. Denn: »In der Sch. hat die Luft Balken!«, wie eine Pfaderregel so treffend sagt. Es gibt Luft in jeder Konsistenz, bis flüssig und fest, und »schwere Luft« ist oft tragfähiger als so mancher tückische Boden. Die Inseln jedweder Art treiben in der Regel mit der Drift auf einem beständigen Kurs. Doch werden oft Kräfte wirksam, die sie aus ihrer Bahn reißen und sie zu Irrläufern werden lassen, die früher oder später mit anderen Inseln kollidieren, wenn sie nicht zuvor in der Tiefe der Sch. versinken. Zu solchen Zusammenstößen kommt es auch, wenn Landmassen plötzlich wie aus dem Nichts erscheinen oder wenn es Himmelssteine regnet – eine nicht gerade seltene Erscheinung an diesem Ort. Die meisten der größeren Eilande setzen sich aus vielen solcher Brocken verschiedener Herkunft zusammen.

Für diese wie für alle Phänomene ist in erster Linie die Schwarze Magie der Dämonen verantwortlich. Aber es gibt auch Kräfte, die nur mittelbar auf die Dämonen zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang sei an das Böse Auge der Quida erinnert, das in Zeiten erhöhter Aktivität einen Sog entwickelt, der alles in seinem Bereich mit sich reißt – und als Treibgut in die Sch. entlädt. Ebenso kann es auch umgekehrt sein, daß Inseln der Sch. entrissen werden und irgendwohin verschwinden. Die Sch. hat unzählige Schichten, aber die Pfader haben sie in drei Grundstufen unterteilt:

Die Höhenschicht, auch »das Dach der Sch.« genannt, ist gleichzeitig das Reich der Dämonen, wo sie unter sich sind und unumschränkt herrschen. Von ihrem Hochsitz kontrollieren sie die unteren Schichten und die Lichtwelt, verlassen ihren Lebensbereich jedoch in den seltensten Fällen. In der Mittelschicht spielt sich das vielfältige, phantastische Leben ab, mit dem Mythor auf dem Flug mit der Luscuma konfrontiert wird. Diese Zone ist ein wahrer Schmelztiegel der verschiedensten Wesen, Rassen und Völker, aus denen unter den lebensfeindlichen Umweltbedingungen nicht selten Mischwesen werden. Die Unterschicht, deren Tiefe und Grund unbekannt sind, wird auch die Unterwelt genannt und von den Bewohnern der Mittelschicht wohlweislich gemieden. Denn hier herrscht das Chaos zur Potenz, hier endet selbst der Einfluß der Dämonen. Mythor hat auf der Goldenen Galeere einen kleinen Vorgeschmack dessen bekommen, was ihn hier erwartet, falls er noch einmal in die Tiefe hinabsteigen möchte – etwa um die versunkenen Waffen des Lichtboten zu bergen.

SCHATTENZONE im Buch der Welt II

Hierhin dringt kein Sonnenstrahl, und darum gibt es in diesem Finsterreich, in dem trotzdem nicht ewige Dunkelheit herrscht, kein Pflanzengrün, wie man es in der Lichtwelt findet. Die Pflanzenwelt der ist nicht auf Sonnenlicht aufgebaut, sie beruht auf einer anderen Basis und findet sich reichlich und in allen Größen, und manche Pflanzenkolonien erreichen die Größe von Inseln. Viele Pflanzen sind sogar genießbar, liefern begehrte Früchte oder auch das köstlichste Naß: Wasser, das in der Schattenzone fast so selten und kostbar ist wie Salz. Die Grenzen des Lebens verwischen sich hier so sehr, daß oft genug nicht erkenntlich ist, ob man es mit einer Pflanze oder einem Tier – oder mit einer Mischung aus beidem zu tun hat. So ist die Lebenskette der Schattenzone auch nicht mit der der Lichtwelt zu vergleichen. Es kann sogar als gegeben gelten, daß die Schattenzone überhaupt kein eigenes Leben hervorgebracht hat, nicht einmal die Dämonen entstammen ihr. Alles Leben ist »importiert«, und erst unter den verschiedenen hier herrschenden Einflüssen sind neue Formen, Mutationen und Mischwesen, entstanden.

Es gibt nur ein Gesetz, das generell gültig ist, das Gesetz der Wildnis: töten oder getötet werden. Nur die Stärksten und die Klügsten überleben, und wer beide Eigenschaften in sich vereint, der dominiert. Unter diesen lebensfeindlichen Bedingungen in diesem unberechenbaren Chaos haben sich die unglaublichsten Lebenserhaltungsgemeinschaften gebildet, die andernorts undenkbar wären, und es hat sich eine eigene ungesetzmäßige Ordnung herauskristallisiert, die zum Lebensborn für die Bewohner der Schattenzone geworden ist. Wesen, die bestimmte überlebensnotwendige Fähigkeiten entwickelten, lassen andere Nutznießer davon sein, denen diese abgehen, und bekommen als Gegenleistung etwas, woran es ihnen mangelt. Die Pfader etwa, die für andere unsichtbare Dinge sehen und so immer einen Weg durch gefährliche Zonen finden, sind darum zu unentbehrlichen Wegbereitern geworden. Da sie jedoch körperlich schwächer sind, lassen sie sich ihre Dienste nicht selten durch Hilfsdienste verschiedener Art abgelten, denn es gibt nur wenige, die mit Salz oder Wasser zahlen können. Man könnte sagen, daß eine Hand die andere wäscht, auch wenn die eine die andere manchmal auffrißt. Aber so sind die chaotischen Gesetze der Schattenzone, manches Leben scheint nur als Nahrung für die anderen dazusein. Dies ist so neu nicht, ähnliche Beispiele gibt es auch in der Lichtwelt, nur nicht in dieser Konsequenz und nicht mit solch absoluter Gültigkeit. Die Pfader scheinen am wenigsten durch die Einflüsse der Schattenzone verändert worden zu sein, denn sie sind den Menschen der Lichtwelt, besonders den Aasen, am ähnlichsten – zumindest unter den ältesten Bewohnern der Schattenzone Und doch, der Schein trügt. Denn wenn sie von den Aasen abstammen, dann sind sie größer und stärker geworden, ihre Haut hat die Farbe der Düsternis angenommen, und sie haben Sinne entwickelt, vielleicht mit Hilfe ihrer magischen Begabung, die in der Lichtwelt zu nichts nütze wären. Überhaupt dürften die meisten der alteingesessenen Bewohner der Sch. in der Lichtwelt gar nicht überlebensfähig sein, vielleicht würde die Sonne sie verbrennen. Unter den Mischwesen stechen die Haryien hervor, die, halb Frau und halb Vogel, sowohl Klugheit mit Stärke wie auch Gemeinschaftssinn mit starkem Überlebenswillen verbinden und darum großen Einfluß in der Sch. haben. Sie sind selbst in weiten Teilen der Lichtwelt bekannt und können jederzeit ihren Lebensbereich dorthin verlegen. Wollte man ihrer Herkunft nachgehen, so könnte man herausfinden, daß sie von Amazonen Vangas abstammen, die es irgendwann in grauer Vorzeit hierher verschlagen hat und die eine Symbiose mit Vogelwesen eingingen. Obwohl zweigeschlechtlich, trägt ihre Kultur alle Merkmale eines Matriarchats. Das Weibliche dominiert nicht nur in ihrer äußeren Erscheinung, sondern auch in ihrem Wesen. Es gibt in jedem Haryienstock nur ein Zugeständnis an das Männliche, das ist der Stockführer. Haryion genannt. Doch ist dieser weniger Herrscher als ein Götze mit symbolischer Bedeutung.

Bei anderen Misch- und Fabelwesen liegt die Herkunft tiefer im dunkeln. Es gibt in der Schattenzone praktisch alle Lebensformen, die in den Mythen und Legenden der Lichtwelt vorkommen. Es bleibt nur die Frage, ob die Menschen sich ihre Fabelgestalten nach den Bewohnern der Sch. geschaffen haben oder ob die Bewohner der Sch. aus den Mythen der Lichtwelt wurden. Die Wahrheit, sofern es eine gültige gibt, wird wohl nur im Buch der Welt zu finden sein. Doch wer vermag es zu lesen? Das Salz, das in der Schattenzone nicht mit Gold aufzuwiegen ist, hat einen solchen Wert, weil es hier frei praktisch nicht vorkommt; weit seltener jedenfalls als Wasser, das wenigstens als Eis seinen Niederschlag findet. Zu seiner Seltenheit kommt noch hinzu, daß Salz auf, die Bewohner der Schattenzone oder, anders ausgedrückt, daß Salz in der Schattenzone auf alle Wesen eine besondere Wirkung hat. Man benötigt es, in kleinen Prisen, nicht nur zum Überleben, sondern, in größeren Portionen, auch als Stimulans, als Rauschmittel, zur Anregung des Geistes und Stärkung des Körpers – in Mengen genossen, kann es hier sogar zu einem zerstörerischen Suchtmittel werden. Und weil es so rar und begehrt ist, kann man für Salz praktisch alles bekommen. Es eignet sich selbst als Köder für Dämonen.

Der Held Mythor durchquerte die Schattenzone mehrfach, bis zu ihrer Auflösung zu Allumeddon als der Lichtbote dieses Chaos auflösen musste um einen Sieg der Finsternis zu verhindern. Die darauf folgende Zeit nannte man Dunkles Zeitalter.

Nach Pondaron, dem Beginn der neuen Zeitrechnung, entstand an der Stelle der früheren Schattenzone eine fast unterbrechnungslose Kette von Vulkanen, Blutiges Band genannt.

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