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Lailoken ab Gwendolau, Hohepriester

Diese jungen Schnösel machen mich immer völlig fertig. Sie sind total undiszipliniert und haben nur Flausen im Kopf. Sie wollen Priester werden, haben aber kaum Achtung vor den heiligen Ritualen, vor ihren Vorgesetzten und vor allem der Tugend der Pünktlichkeit. Erst gestern sind gleich zwei Novizen fast eine ganze Minute zu spät zum Gebet gekommen, obwohl sie mit fünf Minuten wohl wirklich genug Zeit zum Anziehen der Zeremoniengewänder gehabt hatten. Die brauchen nur eine starke Hand, die sie formt und führt.

Als Vorsteher eines kleinen Tempels in der Ortschaft Grimshanolk, einem Marktflecken im Machairas von Narthaos, hat man es nicht einfach, zumal in Narthaos der Dondra, manchmal auch Ceos genannt, viel zu wenig geehrt wird. Außerdem muß ich heute schon wieder Radokussuppe essen. Manche Leute meinen, der Radokus sei eine Delikatesse, aber wenn man 30 Jahre lang etwa fünfmal die Woche Radokusfleisch essen muß, führt das zu einer gewissen Abneigung. Da es die armen Kreaturen in der freien Natur nur recht selten gibt, mußte ich wegen meines Verbrauchs eine eigene Zucht anlegen. Immerhin lindert der Genuß des Fleisches, Dondra sei Dank, die Magenschmerzen ganz gewaltig. Das ist auch das einzig Nützliche, was diese Quacksalber einem raten können, wenn man mal ein gesundheitliches Problem hat.

Manche Leute behaupten, ich hätte durch meine chronischen Gastritis immer schlechte Laune und würde deshalb so finster dreinschaun. Das liegt nicht an meiner schlechten Laune, sondern an einer Laune der Natur, die mich mit einer wirklich großen Nase, einer kleinen, hageren Statur (auch wegen meiner Diät) und weit in den Höhlen liegenden Augen, die manch einer sogar als stechend bezeichnen würde, ausgestattet hat. Tatsächlich habe ich schon früh angefangen, bei einer Meinungsverschiedenheit meinen Gegenüber einfach niederzustarren. Als junger Bursche, ich weiß nicht mehr genau wie alt ich war, bemerkte ich eine Statue, die mich dauernd anstarrte, wenn ich an ihr vorbeikam. Eines Tages nahm ich die stumme Herausforderung zu einem Blickduell an. Ehrlich gesagt war ich schon ziemlich erschöpft, als die Statue nach zwei Tagen endlich aufgab. Auch auf die Gefahr hin, unbescheiden zu wirken, kann ich bemerken, meine Fähigkeit seitdem etwas verbessert zu haben.

Meine Stimme ist nach jahrelangen Predigten und Zurechtweisungen rauh, hart und dröhnend geworden, was sich aber als nützlich erwiesen hat, wenn man es mit frischen Novizen zu tun hat: Ein Ruf von mir und im Handumdrehen steht die ganze Bande vor mir.

Ich habe seit frühester Kindheit mein Leben dem Dienst an Dondra gewidmet, doch muß ich gestehen, daß ich einen kleinen Teil meiner Zeit einem etwas ungewöhnlichen Steckenpferd widme: dem Sammeln von exotischen Vornamen. Zur Zeit heiße ich Lailoken Pantherados Endurkal Sar Sanchez Gramulska Hey Aleksos Markok Nahmed Alkulucht Fugail Zodor Ketbush Hulios Armotsend Kedelmeg Manwron Growose Modred Raneild Rotedshillpegg Affenaus Heirling Leschder Svabete Onturio Perkos ab Gwendolau, auch wenn ich nichts dagegen habe, wenn man mich einfach Lailoken ab Gwendolau (mein Heimatdorf) oder kurz Vater Lailoken nennt.

Wenn man schon den zweiundvierzigsten Sommer in Narthaos erlebt hat, hat man nicht mehr viele Träume und muß sich mit dem abfinden, was man erreicht hat. Normalerweise erwartet man auch nichts Ungewöhnliches, wenn man sich für vier oder fünf Stunden zur Nachtruhe begibt, doch letzte Nacht hatte ich einen Traum, der mein Leben wohl vollständig umkrempeln wird:

Es erschien mir ein großer goldener Adler, der mir sagte, daß ich für ihn, den Herrn des Himmels, einen Hohepriestertempel errichten und leiten solle. Dondra sei es leid, daß die Schergen des finsteren Seths die Welt überfluten, und wolle einen Wall gegen die dunklen Heerscharen errichten. Er werde, wenn der Bau vollendet ist, Greife zum Tempel schicken, die mit ihrem Adleranteil seine Herrschaft über den Himmel und mit dem Löwenanteil seine Herrschaft über die Erde durchsetzen werden. Nach diversen Dankbekundungen und Ehrenbezeugungen erlaubte ich mir die Frage, wie ich das denn bewerkstelligen solle, schließlich werden meine Haare langsam sowohl licht als auch grau und bis ich das Geld für die Baukosten zusammengespart habe, können noch viele Jahre vergehen (komisch an was man in solch einem Traum so alles denkt), doch Dondra unterbrach mich und sagte mir, daß ich ganz einfach zum König gehen und ihm befehlen solle, den Hohepriestertempel bauen zu lassen. Auch mein vorsichtiger Einwand, daß der König damit vielleicht nicht unbedingt einverstanden sein könnte, schmetterte Dondra mit dem unwiderstehlich göttlichen Argument ab, er werde mir schon helfen.

Nach dem Aufwachen nahm ich all meine Ersparnisse (immerhin 42 Goldstücke!) und machte mich kurzerhand auf den Weg nach Tha, der einzigen Stadt, von der ich gehört hatte, das dort ein König wohnen solle, beflügelt von dem Gefühl, daß mir mein Gott jetzt in besonderer Weise zur Seite steht.

Geschrieben am 30. Tag des Katzenmonds Kislew im Jahr 420 n.P.

Lailoken Pantherados Endurkal Sar Sanchez Gramulska Hey Aleksos Markok Nahmed Alkulucht Fugail Zodor Ketbush Hulios Armotsend Kedelmeg Manwron Growose Modred Raneild Rotedshillpegg Affenaus Heirling Leschder Svabete Onturio Perkos ab Gwendolau, zukünftiger Hohepriester

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